Woche 1: U2, New Year´s Day

Beobachtungen zum 1. Januar. Bono schreibt einen Song und hebt damit das Kriegsrecht auf. Gute Vorsätze kann man an allen Tagen des Jahres fassen. Achtung, ganz am Schluss der Folge gibt es eine Unbedingte Musikempfehlung von mir.

All is quiet on new year´s day

Das ist die erste Textzeile von – New Year´s Day von U2. Der Songtexte ist von Bono und er sagt da nichts Falsches: Wer am 1. Januar morgens um 10  unterwegs ist, weiß, dass an „All is quiet“ viel dran ist. Es ist am Neujahrsmorgen still in den Straßen der Stadt. Und farbenfroh: Ganz viele bunte Abfallhäufchen sind geblieben vom Brillantfeuerwerk der letzten Nacht und sie erzählen die Geschichten von Feinstaub, Hunderten von Feuerwehreinsätzen und Balkonbränden. Partyhütchen, Whiskyflaschen und Nasenspray (?!) liegen am Straßenrand. Alles Relikte der zwingend besten Party des Jahres. Silvester muss im Wortsinn gleich mehrfach knallen, sonst ist der erste Tag des Jahres nicht ausreichend im Eimer. Und nur so führt man sich deutlich vor Augen, dass das Neue Jahr auch nicht viel besser wird als das alte, schon wegen der Kopfschmerzen. Wenn die erste, blütenweiße Seite eines Jahrbuchs schon mal Flecken bekommt, muss man mit dem Jahr nicht mehr ganz so pfleglich umgehen; man kennt das von neuen Turnschuhen.

In diesem Sinne:

Nothing changes on new year´s day

Erste Strophe, letzte Zeile. Warum sollte auch am ersten Tag eines Jahres  irgendetwas anders sein als am Tag davor oder vor einer Woche oder an irgendeinem Tag? Per se passiert an dem Datum erstmal nichts. Der 1. Januar füllt die im Laufe des ganzen Vorjahres geleerten Energiespeicher nicht wieder auf, so gern wir das auch hätten. Wir sind keine Unternehmen mit einem fiskalischen Jahr von Januar bis Dezember. Der Tag setzt das Datum auf 1, aber den persönlichen Zähler nicht auf Null – unsere Zähler laufen weiter. Und wir bleiben dieselben, ob mit guten Vorsätzen oder ohne. Letztlich ändert sich also gar nix. Auch da hatter recht, der Bono.

Jetzt war er  beim Songwriting aber dann durch mit den allgemeinen Feststellungen zum Jahresbeginn. In der zweiten Strophe schrieb Bono uns folgende Zeilen in das neu angefangene Poesiealbum eines Jahres:

Under a blood red skyA crowd has gathered in black and white

Da geht’s um was ganz anderes. So auch in der Entstehungsgeschichte des Songs: Ursprünglich war New Year’s Day ein  Liebeslied, das Bono für seine Jugendliebe, die er kurz vor Erscheinen der Platte geheiratet hatte, geschrieben hatte. Dann kam aber die Zeitgeschichte dazu und es sollte auch – wenigstens ein bisschen – und die Weltpolitik gehen. Die „crowd“, die in black and white gathered, sind polnische Werftarbeiter mit dem Wunsch, die eigenen Verhältnisse zu verändern. Solidarität unter einem blutroten Himmel. Das ist poetisch und politisch und U2 war schließlich schon immer auch eine politische Band. Der Text blieb nicht ohne Wirkung: Noch während der Aufnahmen zu „New Year´s Day“ kündigte die polnische Militärführung unter Wojciech Jaruzelski die Aufhebung des Kriegsrechts in der Volksrepublik Polen für den Neujahrstag 1983 an. So jedenfalls die Legende. Die harten Fakten dazu: Der Song New Year’s Day erschien am 3. Februar 1983. Die polnische Regierung hob das Kriegsrecht am 22. Juli 1983 offiziell auf. Legenden zu Songs soll man nicht umschreiben, auch wenn sie nicht stimmen. Was in jedem Fall stimmt, ist Bonos Textzeile in Strophe Zwei „The newspaper say it´s true“, das stimmt ja immer.

Ganz ehrlich, ich komme bei den thematischen Sprünge im Text  bis heute nicht ganz mit. Genauso geht es mir auch mit dem Musikvideo zu „New Year’s Day“: Stellt Euch schwedischen Schnee und norwegische Berge (oder umgekehrt) vor. Alle vier Bandmitglieder sind bei sichtbar extrem kalter Witterung draußen unterwegs. Warum auch immer. Und außerdem sieht man noch vier Reiter im Winterwald, die wohl auch U2 sein sollen, die aber tatsächlich von vier maskierten weiblichen Teenagern gespielt wurden. Ich bleibe da etwas ratlos zurück.

Und dann der zweite Refrain:

I – I will begin again

Okay, Bono, von mir aus – dann doch ein Neubeginn am 1. Januar und uns allen ein Gutes Neues Jahr. Und ich will auch ganz vieles ändern. Mir mehr Zeit für schöne Dinge nehmen. Mich noch besser ernähren. Gelassener mit Vorsätzen umgehen. A propos Vorsätze: Die kann man ja jeden Tag fassen, also warum nicht auch an diesem ersten Tag des Jahres? Genauso gut wie an jedem anderen Tag in jeder anderen Woche in jedem anderen Monat. Und dann wieder fallenlassen. Und nochmal von vorne. Jahrein, jahraus. Und immer folgt ein Song auf den anderen. Ach übrigens: Wenn Ihr den Song, um den es heute ging, komplett gehört habt, kommt danach noch meine unbedingte Musikempfehlung. Hier ist aber erstmal U2 mit „New Year`s Day„.

Meine unbedingte Musikempfehlung für heute: Fade to black von Apoptygma Berzerk.  Apoptygma Berzerk ist ein norwegisches Musikprojekt, da schließt sich der Kreis zum Musikvideo. Solche kleinen runden Sachen finde ich super. Jedenfalls geht Apoptygma Berzerk hin und macht aus dem Piano-Intro von The Edge zu „New Year’s Day“ das Intro zu ihrer Version von Metallicas „Fade to Black“. U2 und Metallica in einem Track, das ist hörenswert. Wir hören uns in der nächsten Folge. Bis dann! Und jetzt Apoptygma Berzerk – ich kann den Namen gar nicht oft genug sagen – mit Fade to Black.

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